Live-Kommunikation: erfolgreiche Events nur durch Digitalisierung? (Teil 2)
Betrachtet man die Entwicklung der letzten Jahre kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass vermehrt digitale Eventkonzepte auf den Markt drängen. Mit etwas Abstand sieht die Sache dennoch etwas anders aus. Der explizite Einfluss digitaler Methoden auf bestehende Eventformate ist – relativ betrachtet – sehr verhalten. Fraglich ist, ob aus bereits bestehenden Bestrebungen zu mehr Digitalisierung und der prekären Situation aufgrund von Covid-19 positive Interferenzeffekte resultieren können. Interferenzeffekte in diesem Zusammenhang sollen bedeuten, dass durch die Überlagerung von bereits unternommenen Anstrengungen und der verschärften Situation ein größeres Veränderungspotenzial zu erwarten ist.
Erste Anzeichen, dass nun zwangsläufig an digitalen Unterhaltungskonzepten gearbeitet wird, sind seit dem Ausbruch der Pandemie erkennbar. Was für Kulturveranstaltungen gilt, entwickelt sich in ähnlicher Art und Weise auch in der Eventbranche. Dennoch gibt es merkliche Abweichungen, inwieweit Anstrengungen unternommen werden, um auf digitale Lösungen zurückzugreifen. Letztendlich hängt viel davon ab, welche Akteure sich im Fokus der Betrachtung befinden. Das Ergebnis führt in jedem Fall zu einer Fehleinschätzung, sofern Eventtechnikdienstleister mit Eventagenturen über einen Kamm geschoren werden. Auch wir, die schrittmacher, müssen uns zwangsläufig damit befassen, wie Pandemie-konforme Eventkonzepte aussehen können. Für alle Beteiligten eine nie dagewesene Situation, besonders deswegen, weil der Fokus sehr auf digitalen Ansätzen liegt. Vor allem zu Beginn der Pandemie, scheint der wirtschaftliche Weg aus der Krise nur über digitale Eventkonzepte realisierbar. Kleine Eventagenturen, die in überwiegender Zahl von der Ressource „Mensch“ abhängig sind, sind durch Volatilität und Unsicherheiten erheblich stärker betroffen als Unternehmen, die dem Kunden fertige haptische Produkte anbieten. Mit fehlenden Kunden fehlt es schlichtweg an der passenden Zielgruppe, um Veranstaltungen durchzuführen.
Die Krise als Innovationsbeschleuniger?
Gerade in Krisen lernen wir, dass es häufig keine einheitlichen Regelungen in Unternehmen im Umgang mit nie dagewesenen (Krisen-)Ereignissen gibt. Einige Unternehmen achten penibel darauf, Mitarbeiter verschiedener Abteilungen oder Schichten nicht miteinander in Kontakt zu bringen. Andere Firmen geben lediglich einen Rahmenplan vor und fordern ihre Mitarbeiter zu eigenverantwortlichem Handeln auf. Einzelne Mitarbeiter, die einem Teamevent im kleinen Rahmen kritisch gegenüberstehen, sorgen letztlich dafür, dass sich das Team als Ganzes gegen die Durchführung des Events entscheidet. Digitale Alternativen in Form eines Streamings oder eines digitalen Teamevents verbessern die Lage nicht signifikant. Vor allem zu Beginn der Pandemie fehlt es an Akzeptanz und Offenheit gegenüber digitalen Konzepten. Besonders fällt herbei auf, dass die Hürden in einigen Unternehmen relativ hoch sind, um digitale Kommunikationswege einzuschlagen. Sicher arbeiten wir alle in den letzten Monaten mit Videokonferenzsystemen, die Frage ist jedoch immer, wie die Umstellung implementiert wird und ob auch weniger affine Mitarbeiter:innen in den Prozess eingebunden sind.
Hybride Events und MoSoLo – des Rätsels Lösung für die Kommunikation?
Agenturen und Veranstalter finden sich gleichermaßen in einer Situation wieder, welche Umdenken erfordert. Seit Pandemiebeginn ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: hybride Events. Rein sprachlich betrachtet, werden durch das Adjektiv „hybrid“ Bildungen aus verschiedenartigen Komponenten bezeichnet. Hybride Veranstaltungen halten den Spannungsbogen zwischen analogen, also rein physischen Eventformaten, und digitalen Eventkonzepten aufrecht. In der Literatur findet sich dazu folgende Einschätzung: „Als Basiskomponente eines jeden Hybriden Events dient das klassische Event […]. Die zweite Komponente setzt sich aus allen neuen Kommunikationskanälen zusammen, die Menschen heute nutzen.“ (vgl. Dams & Luppold, 2016) Demzufolge ist ein hybrides Eventformat ohne physische Komponente schlicht nicht existent. Es erscheint naheliegend, hybride Events als Möglichkeit zu sehen, um physische Veranstaltungen für viele Teilnehmer digital erlebbar zu machen. Andere Quellen stimmen dieser Einschätzung größtenteils zu, setzen den Fokus jedoch primär auf hybride Events als Live-Marketinginstrument. Im weiteren Verlauf sind hybride Events nach diesem Ansatz das Zusammenspiel von Live-Eventkommunikation und MoSoLo. MoSoLo – das Akronym bezeichnet die Integration von mobilen App-Anwendung in Veranstaltungsformate und setzt sich aus den Bezeichnungen Mobile Applications, Social Media und Location-based Services zusammen. Eventspezifische Applikationen bilden die Schnitt-stelle zwischen realem und virtuellem Raum. Als Wegbereiter ermöglichen sie persönliche Interaktion zwischen virtuell Teilnehmenden und dem physischen Veranstaltungsumfeld, insbesondere mit den Moderatoren oder Speakern. Mobile Eventapplikationen avancieren damit zum Sprachrohr der Teilnehmer, egal von welchem Ort diese am Event partizipieren.
Digital Natives verdrängen digitale Überlebenskünstler
Die Frage, ob und inwieweit Live-Events heute noch zeitgemäß sind oder gänzlich durch virtuelle Events abgelöst werden, wirft ein polarisierendes Stimmungsbild auf. Wird es zukünftig eine Substitution der Face-to-Face-Kommunikation bei menschlichen Zusammenkünften geben oder gibt es Möglichkeiten, die positiven Aspekte beider Ausprägungen gewinnbringend zu vereinen? Dem Grunde nach hängt viel davon ab, welche Bewertungsgrundlage für die Untersuchung dieser Frage angenommen wird. Die stetig steigende Digitalisierung des gesellschaftlichen Alltags, kann durchaus zum Anlass dafür genommen werden, Bedürfnisstrukturen in Bezug auf die adressierte Zielgruppe genauer zu beleuchten. Inwieweit werden etablierte Eventformate neuen Bedürfnissen in der Kommunikation, wie z.B. mehr Partizipation und Interaktion, gerecht? Auf gesellschaftlicher Ebene sorgen die sogenannten Sinus-Milieus für eine Einteilung der Individuen in verschiedene Zielgruppen-Typologien. Die Einteilung der Individuen erfolgt auf Basis von sozio-kulturellen Gesichtspunkten der Individuen. Ähnlich zu sozio-kulturellen Bevölkerungsgruppen auf gesellschaftlicher Ebene, gibt es in der digitalen Gesellschaft verschiedene Merkmale, durch die bestimmte Gruppen charakterisiert werden. Im Wesentlichen unterscheidet man zwei Gruppen: die digital Natives und digital Immigrants. Die dominierende Rolle innerhalb der digitalen Gesellschaft und welche Rolle den beiden Gruppen zuteilwurde, veränderte sich in den letzten Jahren grundlegend. Zur Gruppe der digital Natives – die digitalen Ureinwohner – zählen allgemein alle Geburtenjahrgänge ab 1980. Gemeinhin als Generation Y bezeichnet, sind sie diejenigen, die mit Computern und dem Internet aufgewachsen sind. Ein digital vernetztes Leben in einer interaktiven Gesellschaft ist für sie selbstverständlich, was sich zu begehrten Testpersonen für digitale Entwicklungen macht. Demgegenüber steht die Gruppe der digitalen „Einwanderer“. Anders als die digital Natives, waren sie bereits vor Aufkommen der Drangphase von technologischen Neuentwicklungen ein fester Bestandteil der Gesellschaft.
Veränderte Anforderungen an die Live-Kommunikation?
Ihre Herausforderung besteht darin, schrittweise die Auseinandersetzung mit technologischen Neuerungen und mit dem zunehmenden Drang nach mehr digitalen Konzepten zu suchen. Es gibt verschiedene Ursachen, die für eine grundsätzlich schleppend verlaufende Annäherung von älteren Erwerbstätigen mit digitaler Technologie verantwortlich gemacht werden. Folgt man den Aussagen diverser Literaturquellen, scheinen die digital Immigrants ein gewisses Maß an Voreingenommenheit gegenüber technologischen Neuerungen zu besitzen, was sie in ihrer Adaptionsfähigkeit in Bezug auf die Technologien einschränkt. Nicht selten mündet dies in einer Art der Verweigerung gegenüber dem – vor allem technischen – Fortschritt. Der Anteil der digital Immigrants ist im Vergleich zur stetig wachsenden Zahl der digital Natives abnehmend – für Eventplaner sollte dies nicht gleichbedeutend damit sein, keine Ressourcen in die Erreichung dieser digital nur mäßig ver-trauten Personen zu investieren. Die Herausforderung besteht letzten Endes darin, eine Lösung zu schaffen, die allen Beteiligten des Klientels gerecht wird. Nicht zuletzt durch den Einsatz von Event-Apps eröffnen sich neue Perspektiven für Veranstaltungen. Personalisierte Eventkalender für die Teilnehmer, Live-Voting und Feedback-Queues – Komponenten, die unterschiedliche Dimensionen des Teilnehmererlebnisses bieten. Hybride Events verstehen sich nicht als isoliertes Konzept einer Variante – analog oder digital. Durch die Vernetzung beider Bereiche können wesentliche Vorteile aus beiden Ansätzen kombiniert werden. Das Digitale kann nach Thorsten Knoll neben einem eigenständigen Konzept auch als besonderes Ergänzungsangebot verstanden werden. Im Wesentlichen sind vor allem drei digitale Elemente von großem Wert: Streaming, Sharing und Event Apps. Als Ergänzungsangebot zum physischen Event erfolgt die Live-Kommunikation während der Veranstaltung in Echtzeit und über diverse Medien.