Wenn Worte meine Sprache wär’n . . .
Warum präsentieren wir? Geht es uns um Selbstdarstellung? Möchten wir informieren oder andere Menschen von einer Idee überzeugen? Oder geht es gar darum, die Leidenschaft zu entflammen und gemeinsam Herausforderungen zu meistern, um unseren Zielen ein Stück näher zu kommen?
Diese Frage mit 100%iger Sicherheit zu beantworten ist nahezu nicht möglich, denn es gibt nicht die EINE Antwort darauf, was uns antreibt. Präsentieren verbinden die meisten Menschen mit einem Redner, der munter durch seine PowerPoint-Folien navigiert, die ein Beamer an die Wand wirft. Natürlich nicht wortlos, sodass der Vortrag erst durch eine mehr oder minder spannende Aneinanderreihung von Worten durch den Redner komplettiert wird. Worte sind Teil unserer Sprachen, des Sprechens und der Kommunikation. Dass diese Begriffe nicht als Synonyme verwendet werden dürfen, sondern sich tatsächlich grundlegend in ihrer Ausprägung unterscheiden, merken wir, wenn wir uns genauer mit diesen Begriffen beschäftigen
Worte allein werden erst durch Syntax, Semantik und Semiotik zur Sprache. Erst durch die Verknüpfung der drei Disziplinen werden aus willkürlichen Häufungen von Worten Sätze, deren Inhalt wir erfassen und verstehen können. Das Verständnis spielt in der Sprache eine zentrale Rolle, denn nicht immer gibt es genau eine Möglichkeit Gesagtes zu verstehen. Eine Vielzahl an Faktoren beeinflussen unsere Kommunikation. Damit der Zuhörer die gleiche Botschaft empfängt, die der Sender an ihn übermitteln wollte, kommt es vor allem auf die Sprache, genauer gesagt auf die Formulierung, an. Es geht nicht darum, was wir sagen, sondern vielmehr wie wir etwas sagen. Um eines klarzustellen: der Inhalt ist sehr wichtig, um die Botschaft zu übermitteln. Er ist sozusagen der Träger unserer Absicht. Damit unsere Gesprächspartner den Inhalt jedoch auch in der gleichen Intention aufnehmen können, wie wir das beabsichtigt haben, müssen wir die Inhalte entsprechend formen, um genau das auszudrücken, was wir uns vor unserem geistigen Auge vorstellen. Das uns zur Verfügung stehende Werkzeug ist unsere Sprache, mit der wir im übertragenen Sinn aus einem unförmigen Tonklumpen eine Blumenvase formen können. Das spannende ist, dass es nicht unbedingt eine Blumenvase sein muss. Wir können uns auch für eine Obstschale entscheiden. Hauptsache das Ergebnis deckt sich mit unserem ursprünglichen Willen, was wir mit unserer Formulierung erreichen möchten.
Deutungsrahmen
Tagtäglich werden wir mit kognitiven Deutungsrahmen in Politik und Medien konfrontiert, wir merken es nur häufig nicht. Das Geheimnis liegt in der Art, wie wir damit in Kontakt kommen. Wie gesagt – meist geschieht das unterbewusst, ohne dass wir etwas davon mitbekommen. Smalltalk ist hierfür das beste Beispiel aus unserem Alltag. Neben der Funktion, ein Gespräch aufzubauen, uns zu unterhalten oder das Gespräch langsam auf knifflige Themen zu lenken, können wir ganz subtil innere Einwände oder mögliche Zweifel aus dem Weg schaffen, bevor diese überhaupt nach außen treten sind. Als Methode eignet sich dafür am besten Storytelling mit sogenannten analogen Markern. Analoges Markieren bedeutet, dass wir während des Sprechens einzelne Worte, denen wir eine besondere Bedeutung für unser Gegenüber beimessen, bewusst leicht betonen. Die entsprechenden Deutungsrahmen dieser Worte sollen dadurch stärker aktiviert werden. Hervorragend eignen sich Worte, die eine persönliche Beziehung zwischen Sprecher und Zuhörer intensivieren können.
So viel zum Basiswissen, wie wir Menschen mit uns gegebenen Informationen umgehen. Doch seien wir einmal ehrlich: wir Menschen sind Wesen, die selbstbestimmt Handeln möchten. Um selbstbestimmt zu Handeln brauchen wir eine Orientierung, die uns leitet und die nötige Sicherheit und Stabilität verschafft. Klarheit ist derjenige Faktor, der uns bewusst handeln lässt. Sich des eigenen Handelns bewusst zu sein, setzt voraus, dass der Wille erkennbar ist, wieso wir so handeln wie wir es eben tun. Nehmen wir uns ein Beispiel an den großen Film-Blockbustern: schon in den ersten Minuten wird uns beim Anschauen klar, was die Überaufgabe der Protagonisten ist. Daraus können wir unsere Schlüsse für unsere Präsentation ziehen. Auch hier sollten wir innerhalb der ersten zehn Minuten klar herausstellen, welches Ziel wir verfolgen. Das Ziel zu nennen im Stil von „Hallo, ich halte heute einen Vortrag über xy“ ist auf diesem Level zu plump. Außerdem habe ich noch keinen Film gesehen, in dem die Helden á la James Bond und Co. offen nach außen zugeben, dass sie die Welt retten wollen.
Zurück zum Handwerkszeug: Sprache ist nicht gleich Sprache. Kommunikation und Sprache sind immer Teil unserer Kultur und dem psychosozialen System, in dem wir uns befinden. Sicher gibt es Ähnlichkeiten, meist bedarf es aber kultureller Intelligenz, um bekannte Muster von einer Sprache in eine andere zu übertragen. Bei allen Unterschieden der Kulturen, des Wertesystems und der individuellen Wahrnehmung von uns Menschen: Sprache verbindet uns alle!
Sprache hilft uns, unsere Gedanken zu äußern, spiegelt aber auch einen Teil unseres Charakters wider. Wie gehen wir mit anderen um, wenn wir mit oder zu diesen sprechen? Schaffen wir, mit unseren Worten Brücken – wohin auch immer – zu bauen? Dinge, die sich für uns vertraut anfühlen, schätzen wir als besonders wertvoll ein. Wieso? Weil durch die Sprache universelle Deutungsrahmen, aber auch individuelle Deutungsrahmen angesprochen werden. Deutungsrahmen sind eine Kombination aus Gefühlen, Werten und unseren Erinnerungen, die wir mit Worten verknüpft haben. All diese Eindrücke werden jedes Mal aufs Neue in uns abgerufen, wenn wir mit sprachlichen Triggern zusammentreffen. Konkret könnte man im Vorfeld einer Präsentation ein Brainstorming dazu anstellen, welche Worte für die Zielgruppe des Vortrags von Bedeutung sind und gegebenenfalls vor Ort herausfinden.
Pessimistische Betrachtung
Optimistische Betrachtung
Werte
Werte lassen sich nach dem Sozialpsychologen Schwartz (1992) in die Gruppe der Ich-bezogenen Werte und in Ich-überschreitende Werte unterteilen. Ich-überschreitende Wertehaltungen fördern nachhaltiges Denken und Handeln, da sie meist auf übergeordnete Themenbereiche abzielen. Im zweiten Schritt geht es primär um die Suche nach einem geeigneten Deutungsrahmen, der genau diese Wertehaltung aktiviert und verstärkt Prozesse in den Köpfen der Zuhörer abruft. Nehmen wir beispielsweise als Grundwert an, wir möchten den Fokus auf Hilfsbereitschaft lenken. „Das Leben besteht aus Geben und Nehmen!“ ist ein weit bekannter Sinnspruch und könnte ein geeigneter Deutungsrahmen sein. Die spannende Frage ist, welche Erinnerungen, Werte und Gefühle unterschiedliche Menschen damit in Verbindung bringen. Genau das stellt eine Aktivierung ihrer Deutungsrahmen dar. Für uns, die in den Schuhen des Redners stecken, ist es sicherlich interessant, aber nicht wirklich von Bedeutung, welche Motive Menschen im Einzelnen dabei abrufen. In aller Regel ist es so, dass die Bilder unterschiedlich sind, die fundamentale Wertehaltung aber einigermaßen universell ist.
Sprache & Kognitionsforschung
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, haben auch wir schon erlebt, dass nicht immer diejenigen sich durchsetzen, die das beste Produkt konzipiert haben. Meistens sind es diejenigen, die das beste Gefühl bei uns hinterlassen haben. Man könnte das auch anders formulieren: am langen Ende ist es entscheidend, dass Sie sich und Ihre Idee verkaufen können. Im Klartext haben uns diese Menschen mehr erreicht – vielleicht sogar etwas in uns bewegt – als diejenigen, die objektiv vielleicht das bessere Konzept erarbeitet haben.
Neuste Erkenntnisse aus dem Bereich der Kognitionsforschung haben ergeben, dass uns moderne Rhetorik ermöglicht, unsere Mitmenschen auf einer tieferen Ebene als nur dem bloßen Verständnis zu erreichen. Über diese Art und Weise können Ideen, Impulse und Leidenschaft zu einer nachhaltigen Begeisterung derer führen, die wir mit unserer Sprache adressieren. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass Geschichten für unser Gehirn wesentlich vielsagender sind als reine Fakten. Wir können uns Fakten besser mit Geschichten merken, in den die Fakten als Teil einer Rolle vorkommen.
Sprache ist ein unterschätzter Baustein unseres Mensch-Seins. Als maßgeblicher Motor unseres Denkens und Fühlens steuert unsere Art sich auszudrücken, sowohl unser Handeln als auch Entscheidungen, die wir treffen. Studien belegen, dass gewisse sprachliche Muster verschiedene Areale in unserem neuronalen Netzwerk aktivieren. Je mehr Areale gleichzeitig in unserem Gehirn aktiviert werden, umso besser können wir uns Dinge merken und so nachhaltiges Verständnis aufbauen. Man spricht dabei von sogenannten Deutungsrahmen. Deutungsrahmen sind gesellschaftlich verbreitete, aber auch individuell angeeignete Wissens-Strukturen, die maßgeblich unseren Prozess des Verstehens beeinflussen. Jeder Mensch hat verschiedene Deutungsrahmen, die ihm zur Verfügung stehen und auf Basis derer sich sein Verständnis der Welt ableitet.
Während eines Vortrages hilft es zwar ungemein, wenn die transportierten Inhalte mit schlicht gehaltenen Präsentationsmedien unterstützt werden. Auch das trägt zum Verständnis bei. Am Ende geht es dennoch nicht darum, was wir auf der Leinwand visuell wahrnehmen, sondern welche Bilder der Sprecher in unsere Köpfe projiziert. Auch hier hat die Wissenschaft neue Erkenntnisse gesammelt. Mancher geht sogar so weit, dass sich die Gehirne von Publikum und Speaker bei einer exzellenten Präsentation synchronisieren. Ideen, bildliche Gedanken Konstrukte, die im Kopf des Redners entstehen, können von der Audience wahrgenommen werden. Das klingt erstmal ein wenig nach Science-Fiction, ist aber nichts anderes als bewusste Rhetorik, die wir zur Stärkung des roten Fadens und unserer Aussagen nutzen können. Kognitive Deutungsrahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie überwiegend unterbewusst ihre Wirkung entfalten. Überwiegend werden sie in Form von Metaphern, Gleichnissen oder griffigen Sinnsprüchen in unser Sprechen eingeflochten.
Signature words
Worte, die besonders die Brücke zum Zuhörer schlagen und Vertrauen aufbauen heißen Signature Words. Signature words können Dialekten, Redewendung oder Wortgruppen entstammen. Adjektive und Adverbien eignen sich schon aufgrund ihrer deskriptiven Eigenschaft sehr gut für diesen Zweck. Adjektive und adverbiale Bestimmungen sind sprachliches Werkzeug, um Bedürfnisse zu verstärken. Das Sterben nach Sicherheit könnte mit „zuverlässig“, „sicher“, überprüft“ und „präzise“ untermauert werden. Innovationen lassen sich dagegen Begrifflichkeiten wie „neuartig“, „nie dagewesen“, „revolutionierend“ und anderen Vertretern dieser Zunft zuordnen. Fachleute bezeichnen dieses Phänomen der Assoziation als „Priming“-Effekt.
Wir Menschen haben einen Hang dazu, dass wir für alles nach Gründen suchen, die wir am besten noch verstehen möchten. Die Frage nach dem „Warum“ beschäftigt unsere Spezies schon seit Urzeiten. Diese Neigung können wir uns auch in einem Vortrag zu Nutze machen. In dem wir Thesen, die wir aufstellen recht zeitnah mit einer Begründung belegen. Begründungen lassen eine zuvor getroffene Aussage als verifiziert wirken. Vor allem durch Signature words wie „weil“, „darum“ und anderen Begriffskonjunktionen sind wir in der Lage, nicht nur eine These aufzustellen sondern gleichzeitig ihre Herkunft – zumindest ein Stück weit – zu belegen. Faszinierend dabei ist, dass Wissenschaftler herausgefunden haben, dass die Begründung dabei nicht unbedingt wirklich kausale Zusammenhänge herstellt. So können auch – objektiv betrachtet – weniger sinnvolle Begründungen vom Zuhörer als sinnvoll wahrgenommen werden. Und das nur, weil Begriffskonjunktionen einen scheinbar kausalen Zusammenhang herstellen.
Assoziation & Sinn
Deutungsrahmen werden in assoziative und sinngebende Rahmen unterschieden. Mit ersteren verknüpfen wir einfache soziale oder kulturelle Faktoren. Sinngebende Frames hingegen haben einen Einfluss auf kognitive Strukturen und unsere kognitiven Denkprozesse. Im Gegensatz zu assoziativen Verknüpfungen beinhalten sinngebende Rahmen Wertevorstellungen, die Denkprozesse in unserem Langzeitgedächtnis aktivieren. Sinngebende Rahmen verbinden unsere Assoziationen auf einer tiefen Ebene miteinander. Sie sind mit dafür verantwortlich, dass wir uns für gewisse Dinge engagieren und uns mit unseren Fähigkeiten dafür einsetzen, Herausforderungen zu meistern. Und dass, obwohl sie uns keine zusätzlichen Gründe liefern, die unser Handeln triggern oder steuern. Wenn wir uns für unser Sprechen dieser Rahmen bewusst bedienen möchten, so müssen wir zuerst herausfinden, welche Wertehaltung unserem Gedanken, eben dem, was wir sagen wollen, zugrunde liegt.
Wie man wirkungsvolle Deutungsrahmen entwickelt
Deutungsrahmen können griffige Sinnsprüche sein oder allgemein Formulierungen, die eine tiefer Bedeutung zwischen den Zeilen tragen. Kognitive Deutungsrahmen sind durch ihre Formulierung, die auf gezielter Ansprache von Wertehaltungen beruht, charakterisiert.
Wenn wir einen Deutungsrahmen entwickeln möchten, sollten wir uns dabei immer die Frage stellen, auf welchen größeren Zusammenhang wir uns beziehen können. Entscheidend für den Erfolg des kognitiven Frames ist, inwieweit wir eine Verbindung zwischen dem übergeordneten Zusammenhang und dem Verständnis des „Lernenden“ bzw. der Zuhörer herstellen können.
Bei der Formulierung muss darauf geachtet werden, dass überwiegend aktive Verbformen genutzt werden. Essentiell für gelungene Formulierungen ist es, dass wir die Sätze so formulieren, dass sich der Zuhörer als Teil eines Systems fühlt. Den Eindruck eines außenstehenden Beobachters zu erwecken ist nicht unser Ziel. Gerade zwischenmenschliche Distanz ist einer der Gräben, den wir mit sprachlichen Brücken überwinden wollen. Wir möchten ein vertrautes Umfeld schaffen, das in gewisserweise Nähe ausstrahlt. Wir erinnern uns: wir Menschen neigen dazu Vertrautes als besonders wertvoll einzuschätzen und genau die damit verbundene Offenheit möchten wir nutzen, um unsere Message anzubringen.