Virtuelle Teamentwicklung, oder warum nicht aus der Not eine Tugend machen?

Wie viele andere Unternehmen haben wir uns in den letzten Monaten intensiv Gedanken über unsere eigene Weiterentwicklung als Team gemacht, aber darüber hinaus auch nach Konzeptansätzen gesucht, wie wir unsere Teamentwicklungsmaßnahmen auch im virtuellen Raum gestalten können. Ob wir den virtuellen Raum so schnell wieder gänzlich verlassen können ist schließlich aufgrund der dynamischen Pandemie Lage leider mehr als fraglich.
Wir sehen einen zusätzlichen Bedarf an Teambildung und Teamentwicklung, der aufgrund der durch die Pandemie nahezu nur im Remote-Modus stattfindenden Zusammenarbeit entsteht.
Es lassen sich signifikante Unterschiede von Präsenztrainings und virtuellen Workshops feststellen und daraus zentrale Fragestellungen zum Design von virtuellen Teamworkshops ableiten.
Wir liefern ihnen in diesem Beitrag ein paar Ideen und Empfehlungen für die Umsetzung virtueller Teamentwicklungsmaßnahmen. Zusätzlich wagen wir heute einen Ausblick auf die verschiedenen Möglichkeiten im Bereich der Teamentwicklung für „die Zeit danach“.
Wir glauben nämlich fest an eine Art „hybride Lösung“ aus beiden Welten für den Bereich der Teamentwicklung der Zukunft, wie sich hybride Ansätze auch in anderen Bereichen etablieren werden.

Teamentwicklung live und erlebnisorientiert

Im Zuge der Teamentwicklung stehen ganz unterschiedliche Ziele im Fokus. Es geht unter anderem darum, ein grundlegend positives Arbeitsklima zu schaffen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu stärken, die Kooperationsbereitschaft zu erhöhen und den Teamgeist zu fördern.

Eine Kernkompetenz von Trainern und Coaches sollte es sein, für unterschiedliche Ausgangssituationen und verschiedenste Zielsetzungen das passende Trainingsdesigns zu erstellen oder ein Workshop-Format dem Anlass spezifisch anzupassen.
Der Werkzeugkoffer umfasst dabei Trainingsinhalte, unterschiedliche Feedback-Formate, Erfahrungsübungen und nicht zuletzt ein Repertoire an Outdoor-Elementen mit Arbeitsmethoden zur Problemlösung und Entscheidungsfindung in Gruppen.
Die typischen Anliegen unserer Kunden sind, eine neue Strategie im Team zu erarbeiten, Arbeitsstrukturen auf Grund veränderter Anforderungen anzupassen, neue Mitglieder im Team zu integrieren, die Teammitgliedern auf das übergeordnete Ziel besser auszurichten, Reibungsverluste und schwelende Konflikte zu reduzieren.

Der Erfolg eines Team-Workshops hängt stark von der Gestaltung des passenden Zusammenspiels aus verschiedenen Kommunikationsprozessen ab. Bei diesen Prozessen steht die Übermittlung von Informationen im Vordergrund und das Sammeln von möglichst vielen verschiedenen Perspektiven. Dadurch wird erreicht, dass der sog. Kommunikationstrichter sich weiter öffnet.

In der ersten Phase,  dem „brainstorming“ wird ein divergenter (auseinanderstrebender) Kommunikationsprozess wider gespiegelt und diesem ein entsprechender Rahmen gegeben. Dabei geht es um die Enwicklung einer annähernd gemeinsamen Sicht und gegen Ende meist um die Einigung auf gemeinsam getragene Maßnahmen. Konvergente Kommunikationsprozesse setzen ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis über verschiedene Perspektiven unter Berücksichtigung der Emotionen der Beteiligten voraus. Sie zeichnen sich zudem durch eine hohe Komplexität aus.

Wer Trainingsanbieter vor der Corona-Krise gefragt hätte: „Geht Teamentwicklung auch im virtuellen Raum?“ bekam wohl überwiegend die Antwort: „Nein, sicher nicht.“ Doch durch die aktuellen Rahmenbedingungen ist Umdenken gefragt und die Bereitschaft neue Wege zu gehen ein Muss, wenn man nicht auf der Stelle stehen bleiben möchte.

Durch die Pandemie wurde die Zusammenarbeit vieler Teams geradezu in den virtuellen Raum katapultiert und getrieben. Geliebte Gewohnheiten wurden komplett ausgehebelt. Die aktuelle Situation führt viele aus ihrer Komfort-Zone und konfrontiert die Mitarbeiter mit den Herausforderungen der virtuellen Kommunikation.

Steigender Bedarf an Teamentwicklung

Die größte Herausforderung der Zusammenarbeit im virtuellen Raum entsteht durch die räumliche Distanz der Teammitglieder. Mit dieser Trennung entfällt ein wesentlicher Faktor, der im Arbeitsalltag für die Zugehörigkeit zu einem Team und für eine entsprechende Identifikation mit der Arbeit und nicht zuletzt dem Unternehmen sorgte.
Der informelle Informationsaustausch und der soziale Kontakt in der Kaffeeküche, bei der zufälligen Begegnung im Flur oder beim verabredeten Mittagessen in der Kantine entfällt. Die lockere Kommunikation an der Kaffeemaschine als Basis für funktionierende Zusammenarbeit sinkt, bzw. ist kaum noch existent.
Es findet eine Verlagerung der Arbeit aus dem gemeinsamen Kontext „Firma“ in das persönlich und individuell gestaltete Home-Office statt. Nach den ersten Wochen des erzwungenen Home-Office Arbeitens haben sich viele Mitarbeiter sicher gefragt, wie sichere ich meine Arbeitsfähigkeit, wie bleibe ich dabei effektiv und effizient und wie behalte ich den Überblick über Projekte und deren Stand. Viele beklagen sich über fehlende Orientierung und eine zunehmend neue Intransparenz, dadurch dass jeder zuhause vor sich hin arbeitet.

Missverständnisse, Doppelarbeit und Reibungsverluste nehmen dadurch merklich zu. Die Arbeitseffizienz des Teams nimmt dagegen signifikant ab. Allein durch die massive Verschiebung der Zusammenarbeit in den virtuellen Raum entsteht in unserer Wahrnehmung ein enormer Teamentwicklungsbedarf.

Dabei drängen sich unterschiedliche Fragen auf:

Wie erhalten wir die Arbeitseffektivität im Team und wie führen wir Rückblicke und Soll/Ist-Analysen in Bezug auf die virtuelle Zusammenarbeit im Team durch?
Wie kann man Probleme ohne physische Kontakte identifizieren, bearbeiten und gemeinsam lösen? Wie können wir auftretende Konflikte schnell erkennen und aushebeln und auch digital für ein positives soziales Klima innerhalb des Teams sorgen?

In den vergangenen Monaten konnten wir alle viele neue Erfahrungen machen und interessante Erkenntnisse im Bereich der online Zusammenarbeit generieren. Was vor der Pandemie noch völlig abwegig war ist inzwischen fast schon selbstverständlich geworden und mancher fängt auch an Vorteile für sich zu erkennen. Für zukünftige Trainings und Teamentwicklungsmaßnahmen lassen sich aus den Erfahrungen konkreten Handlungsempfehlungen ableiten, die uns dabei helfen erfolgversprechende neue Konzepte ins Leben zu rufen.

Worin liegen die signifikanten Unterschiede von virtuellen Modulen zu Präsenz-Veranstaltungen?

Bei der virtuellen Zusammenarbeit kommen wir zwar live zusammen, aber eben nicht mehr physisch. Jeder sitzt vor seinem Bildschirm bei sich zuhause oder alleine in einem leeren Büro. Teilnehmer erleben sich gegenseitig nur noch in den Ausschnitten, die die Kamera anderen zulässt – oder auch gar nicht so selten ganz ohne Bild.

Die Wahrnehmung anderer Teilnehmer auf verschiedenen Ebenen bleibt hierbei auf der Strecke. Zusätzlich können die Ausschnitte von Teilnehmer zu Teilnehmer aufgrund der technischen Einstellungen stark variieren.
Videokonferenz-Anwendungen bieten unterschiedliche Ansichten, die der Nutzer frei wählen kann. Die voneinander abweichenden visuellen Eindrücke erschweren eine gemeinsame Wirklichkeitskonstruktion. Emotionen sind nur schwer wahrnehmbar, das gesprochene Wort rückt massiv in den Vordergrund.

Dazu kommen immer wieder technische Probleme durch instabile Datenleitungen, die mit Bildausfällen und verzerrter, fehlender oder hallender Audioqualität einhergehen. Dadurch leidet die Qualität der Verständigung.
Die Gefahr ist,  bei der Kommunikation und Zusammenarbeit mehr an der Oberfläche zu bleiben. Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Thema, den anderen Teilnehmerbeiträgen und -bedürfnissen ist stellenweise schwer konstant aufrechtzuerhalten.
Die Wahrscheinlichkeit gegenseitiger Missverständnisse steigt bei der digitalen Zusammenarbeit, auch da die Möglichkeit im Rahmen informeller Pausenkommunikation, Verständnis für unterschiedliche Perspektiven zu fördern und Missverständnisse zu klären, entfällt. Die Tendenz, dass Teilnehmer mehr auf ihre eigene Perspektive beharren, ist bei der rein virtuellen Zusammenarbeit vermehrt zu beobachten.

Das macht die Moderation von konvergenten Kommunikationsprozessen, wenn es um die Annäherung zu einer gemeinsamen Sicht der Teilnehmer geht, herausfordernd. Die Komplexität konvergenter Kommunikationsprozesse erfordert zeitnahe Rückkopplungsschleifen. Die hier aufgezählten Unterschiede der virtuellen Kommunikation im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen wirken massiv gegen das Gelingen virtueller Team-Workshops.

Die beschriebenen Unterschiede lassen sich in virtuellen Team-Workshops nicht einfach
kompensieren, indem bestehende Meeting-Regeln disziplinierter eingehalten oder/und konsequenter eingefordert werden. Virtuelle Workshops brauchen neue Moderationsformate, die den beschriebenen Herausforderungen gerecht werden.

Damit ergeben sich für die Gestaltung von virtuellen Workshops folgende Probleme, die es zu lösen gilt:

Wie gelingt es im virtuellen Raum, eine Workshop-Atmosphäre von Nähe und ein Gemeinschaftsgefühl zu fördern?

Wie können emotionale Aspekte in der Virtualität ihren Raum bekommen?

Wie lässt sich eine ähnliche Wahrnehmung des Workshop-Geschehens fördern?

Wie lassen sich Störungen möglichst gering halten?

Wie lässt sich das Konzentrationsvermögen konstant über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten?

Wie lässt sich das Verständnis aller für unterschiedliche Perspektiven fördern und wie kann man unterschiedliche Wahrnehmungen schneller erfassen?

Wie lassen sich bestehende lockere Kommunikationsbestandteile auch in virtuellen Workshop-Formaten schaffen?

Wie gelingen Kommunikationsprozesse überhaupt im virtuellen Raum?

Der hybride Ansatz, das Beste aus zwei Welten

Die Fakten und Ansätze, die wir aufgezeigt haben, sind nicht vollständig sondern nur exemplarisch zu verstehen. Sie sind stets den Rahmenbedingungen und den Eigenarten der Akteure anzupassen.

Wir sind überzeugt davon, dass der klassische Team-Entwicklungs-Workshop in Zukunft viel stärker als hybrider Prozess gestaltet wird. Dabei werden sich Elemente aus Präsenzzusammenkünften und neue digitale Aspekte sinnvoll ergänzen.

Informationsvermittlung und Ideensammlungen werden in einen asynchronen virtuellen Raum ausgelagert. Die Präsenzphasen werden für qualitativ hochwertige Begegnungsformate und anspruchsvolle Kommunikationsprozesse genutzt. Dabei können die virtuellen Module sowohl vorgeschaltet als auch nachgeschaltet zu den Präsenzveranstaltungen stattfinden.

Ähnlich wie bei klassischen Konferenzen und Meetings hat sich hier eine ursprünglich nur als Notlösung gedachte Alternative zu Präsenzveranstaltungen entwickelt, die durchaus zukunftsfähig ist und als hybride Lösung sicher auch in der neuen Normalität und danach ihren Platz finden wird.